Hass, Krieg und Flucht

Als die Nachricht kam von der russischen Invasion in Ukraine, ich konnte es nicht glauben. Ich dachte, es ist NATO Propaganda. Well, das war es nicht.

Mein erster Impuls war, ich rufe eine Freundin in Moskau an. Ich wollte sie besuchen. Sofort. Vor einigen Jahren, in einer besseren Zeit, ich wollte nach Moskau ziehen. Als Touristin, ich war fasziniert von der größten Stadt Europas, und schon damals ich begann mich zu entfremden von Germany & the Germans. Die Firma war nach langem Zögern einverstanden, aber Russland gab sunflower kein Arbeitsvisum. Ich war sehr traurig damals. Ich habe es hier geschrieben. Und ihr wisst es, I like Russians.

Ich stelle mir vor, es hätte funktioniert. Die Firma hätte jetzt die Russland-Niederlassung geschlossen, ich hätte gehen müssen. Wenn ich wäre jetzt aus Moskau nach Germany zurückgekommen, ich wäre komplett schockiert über ein völlig verändertes Land.

Aber es hat nicht geklappt, und so ich bin immer noch hier.

Ja, auch sunflower ist schockiert, und Alina in Moskau sagt mir, alle Russen die wissen wollen was los ist, wissen es, und sind auch schockiert. Aber wie überall, die Masse ist träge, faul und feige und läuft auch noch der schlimmsten Regierung dumm hinterher. So ist es in Russland, in Germany, in America, anywhere. Und Alina sagt, bitte komme nicht, sie hat Angst wenn sie jetzt eine Amerikanerin aus Deutschland zu Besuch bekommt. Nicht jetzt. Bitte.

Ich bin geboren in New York City, aber aufgewachsen in Nahost. Nicht im Krieg, aber im low intensity conflict. So nennen es die Militärs. Jordanien, Libanon. Als U.S. citizen du bist privilegiert, aber auch Zielscheibe. Ich habe gelernt, damit zu leben. Nicht wie meine Familie, damals. Sie hat die privilegierten, geschützten Zonen fast nie verlassen, ihre Tochter dauernd. Sie haben es mir immer verboten, I didn’t care. Meine Freundinnen waren in der palästinensischen Community, sie wussten was ist Krieg, Vertreibung, Bürgerkrieg und alles das. Im Gegensatz zu ihnen, ich konnte auch das besetzte Palästina selbst besuchen, ich habe dort das Leben unter einer kolonialen Besatzung direkt erlebt.

Hanan, meine große Liebe, mein alter ego, sie kämpfte für ein freies Palästina, und sie gab ihr Leben dafür. Ich weine immer noch um sie. Sie wusste, wer der Feind ist: Der Westen. Die arabischen Regime. Die palästinensischen Kollaborateure. Eigentlich alle. Es hat lange gedauert, bis sie der Amerikanerin vertraute. Die Amerikanerin aber, sie hat von der Palästinenserin viel mehr gelernt als umgekehrt. Die Palästinenserin hatte keinen Staat und keine Regierung, und immerhin, die Regierung der Amerikanerin war weit weg. Never trust a government, never, no matter which. Never trust mainstream Western media, they are all mouthpieces of the powers that be. Das sind die einfachen Dinge. Das verstehen auch Westler, wenn sie wollen.

Für eine Woche, unsere WG hat eine Ukrainerin untergebracht. Sie ist geflohen, nicht vor dem Krieg, sondern vor der Ukraine. Sie ist laut Passport Ukrainerin, aber sie ist es nur halb. Die Mutter ist Russin. Seit 2014, das ist ein Problem. Die Eltern sind getrennt, sie haben es nicht mehr ausgehalten, dass sie wurden in ihren ethnischen Gruppen nicht mehr akzeptiert, weil sie sind verheiratet mit dem Feind. Es hat Irina zerrissen, in einem Land zu leben, in dem es nicht mehr möglich ist, den Nationalismus beider abzulehnen. Das Selensky-Regime hat jetzt die russische Sprache verboten. In so einem Land kann sie nicht leben, das deine Muttersprache verbietet. Aber nach Russland, sie will auch nicht. Auch dort, sie ist die Ukrainerin, sie gehört nicht dazu, sie ist der Feind.

Sabra und Shatila. Die palästinensischen Flüchtlingslager in Beirut, im Libanon, vom Bürgerkrieg zerrissen, im September 1982. Libanesische Söldner massakrierten tagelang Tausende Palästinenser, Frauen, Männer, Kinder, Alte. Als Palästinenserin, du weisst, du hast keine Freunde. Keine. Die Araber sprechen von Solidarität, aber sie lassen dich verhungern, sie bringen dich um, sie machen ihre Deals mit Israel.

Hanan hatte Verwandte in Shatila. Es hat sie geprägt. Du kannst niemand vertrauen. Sie werden dich alle verraten. Du kannst nur Individuen vertrauen, keinen Völkern, keinen Staaten, keinen Institutionen. Irina fürchtet, viele Menschen mit Ukraine-Passport werden zu Europas Palästinensern, wenn sie den fanatischen Nationalismus des ukrainischen oder des russischen Regimes ablehnen. Sie haben kein Land mehr, keine Heimat mehr. Aber wenigstens, sie landen nicht in Flüchtlingslagern.

Als ich Beirut verlassen habe, ich kam nach Rom. Damals, Italien war ein lebenslustiges, sorgenfreies Land. Es war ein Kulturschock, aber ich liebte es. Und es war nur ein komischer Zufall, dass ich mich erinnerte, du hast seit deiner Geburt eigentlich auch einen Germany-Passport, und damit das Recht in Italien zu leben. European Community, damals. So I went to the German Embassy to get it, und ich sprach kein Wort Deutsch.

Heute ich bin hier, ich habe nun eure Sprache gelernt, aber ich fühle mich immer fremder. Euer fanatischer Corona-Wahn hat mir den Rest gegeben. Als „Ungeimpfte“, ich bin euer Untermensch. Ausgegrenzt vom Staat und seinen folgsamen Bürgern, gute Deutsche, die die Regeln befolgen, die der Staat aufstellt. So habt ihr es immer gemacht, und ihr seid stolz darauf. Fuck you, ihr Untertanen.

So happy, jetzt die Russen sind die neuen Untermenschen, sie stehen noch tiefer. Jetzt könnt ihr nicht nur 12 Millionen deutsche Ungeimpfte hassen, jetzt könnt ihr 120 Millionen Russen hassen. Ihr verbietet Russia Today, das ist ein Feindsender. Ihr verbietet Z, das ist russische Propaganda. Frieren und hungern gegen Putin sollt ihr, sagen eure Führer. Putin-Versteher nennt ihr alle, die eure Propaganda ablehnen, und sie werden gecancelt, ihre Bücher verbrannt, sie dürfen nicht mehr ins Fernsehen in eure schrecklichen Talkshows. Hass und Ausgrenzung, das propagiert euer Regime jetzt immer offener, und sie verpacken es als „Solidarität“, und die meisten von euch machen begeistert mit.

Germany ist aus der Balance, wie ein großer Tanker. Aber ich habe in Nahost gelernt zu überleben in einer feindlichen Umgebung. Es war lange nicht mehr nötig. Aber ich kann es noch. Hanan, ich danke dir. You would be proud of me.

Über sunflower22a

I am a mystery.
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10 Antworten zu Hass, Krieg und Flucht

  1. Die Bewertung des Krieges gegen die derzeitige Regierung in der Ukraine überlasse ich jedem der sich der 14000 Opfer des Krieges Kiew gegen Donezk und Lugansk bewusst ist. Aber was passiert in Deutschland? Ein Aspekt, ein Teil ist die Inflation : Inflation ist eine erprobte Vorgehensweise zur Entwertung von Schulden. Könnte der Ukraine-Krieg einfach ein willkommener, vorgeschobener Anlass sein? https://kinesiologiewordpress.wordpress.com/2022/03/30/inflation-ist-eine-erprobte-vorgehensweise-zur-entwertung-von-schulden-konnte-der-ukraine-krieg-einfach-ein-willkommener-vorgeschobener-anlass-sein/

  2. Pingback: Hass, Krieg und Flucht — sunflower22a | form7

  3. keloph schreibt:

    das weitertragen und neuidentifizieren von feindbildern ist meine sache nicht.

  4. gkazakou schreibt:

    Liebe Sunflower, dein Leben ist weit dramatischer verlaufen als meins, aber die Quintessenz ist dieselbe. Staaten, Volkszugehörigkeiten, Nationalitäten führen zu kollektiven leidvollen Schicksalen, wenn sie sich gegeneinander stellen – und das tun sie ja leider wieder und wieder. Ich habe Freunde, denen das Zerreißen Jugoslawiens das Herz und die Familie zerriss. Selbst bin ich mit einem Mann verheiratet, der geboren wurde und überlebt hat in dem Jahr, als die deutsche Armee seine Heimat Griechenland überfiel und die Menschen auf den Straßen umfielen vor Hunger, und mein eigener Vater als Soldat in Russland unterwegs war, um dort zu sterben. . Was am Ende zählt, ist die Liebe von Mensch zu Mensch, die trägt das Leben immer weiter. Beschimpf also nicht „die Deutschen“, sondern suche bei denen Freundschaft und Liebe, bei denen es sich lohnt, Und die gibt es ja in großer Zahl, denk allein an die 12 Millionen „Ungeimpften“ 😉
    Was Russen und Ukrainer betrifft: sie werden sich nicht hassen, wenn sie nicht zuvor schon bereit gewesen sind, andere Kollektive zu hassen, Vergiss sie. Andere werden die Achseln zucken und sagen: dich, Alina, liebe ich, dich, Hanan – und nicht dein ganzes Volk. Denn da gibt es sone und solche.
    Liebe Grüße nach Deutschland!

  5. rotewelt schreibt:

    Du bist wesentlich mehr in der Welt rumgekommen als ich und hast mehr durch Politik verusachtes menschliches Leid mitbekommen. Letztlich zählt doch immer und überall das Menschliche und das fehlt dir und auch mir derzeit in Deutschland. Auch ich fühle mich fremd hier und ich kann mir kaum noch vorstellen, hier jemals wieder heimisch zu werden, die Kriegshetzerei hat mir den Rest gegeben, der eigentlich gar nicht mehr notwendig war. Trotzdem sind wir nicht ganz allein. Das muss ich mir selbst immer wieder klarmachen.

  6. noncitizen schreibt:

    Liebe sunflower22a, danke für diese starken, ehrlichen und auch traurigen worte.
    Deine und meine welten sind scheinbar so verschieden und doch, in einigen auch wieder ähnlich.
    Jedenfalls fühle ich scheinbar ähnlich.
    Bin in der ddr aufgewachsen, familien getrennt in ost/west, dann wollte ich weg und war letztendlich bei der stasi im knast gelandet.
    Seit vielen jahren wohne ich nicht in deutschland und hatte mich bis vor zwei jahren wenig damit beschäftigt, Was aber in den diesen jahren dort passiert ist lässt mich schaudern, auch wenn ich es nur von hörensagen beurteilen kann.
    Diese letzten jahre waren wie ein deja vu erlebnis für mich. Nie hatte ich mehr über das damals erlebte gesprochen, selten noch nachgedacht, es war lange her und ich dachte so etwas kommt nicht wieder.
    Aber geschichte wiedrholt sich eben doch. Wieder mal war ich ausgegrenzt und eingesperrt, Diesmal abgestempelt als ungeimpfter, wobei alleine der ausdruck völlig am kern vorbei geht.
    Und glaube mir, das von dir zitierte lebenslustige und sorgenfreie italien, hat sich in dieser zeit fast noch schlimmer als deutschland herausgestellt, es war fast ein schock dies zu realisieren.
    Vielleicht ist es nicht von ungefähr, dass diese beiden länder unter einem faschistischen führer einmal verbündete waren.
    Auf der anderen seite hat mich die damlige zeit aber auch einiges gelehrt was wohl geholfen hat.

  7. Sascha Marcec schreibt:

    Liebe Frau sunflower
    Es erstaunt mich, dass sie als Medienfrau nicht in den vergangenen Jahren erkannt haben, welche Gefahr von Russland für die Welt ausgeht…Aus ihrem Text lässt sich zwischen den Zeilen entnehmen, dass sie sogar die Meinung Russlands teilten, dass es durch die NATO bedroht wurde, was jedenfalls gemäss den (wahrscheinlich) von den CIA gesteuerten Mainstream-Medien fast schon abstrus ist. Zudem sind sie offensichtlich dieser unerträglichen Selbstbemitleidung Russlands, seinem ausgeprägten (und sehr begründeten) Minderwertigkeitskomplex und dessen paranoiden Weltbild auf den Leim gegangen (Beitrag: „I like Russians“). Es braucht nicht tiefere historische Kenntnisse, um zu erkennen, dass Putin mit einem EU-Beitritt beabsichtigte, auf diesem Wege Europa zu dominieren. Russland hat in seiner Mischung aus Grössenwahn und dem erwähnten Minderwertigkeitskomplex nicht verstanden, dass die europäische Staatenwelt gerade wegen seines aggressiven und imperialistischen Verhaltens auf Abstand gegangen ist. Aber es sind halt immer die Anderen… Jetzt handelt Russland nach dem Grundsatz eines abgewiesenen, gewalttätigen Verehrers: „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.“ Putin hatte nämlich nicht vor, bei der Ukraine haltzumachen, die nächsten Ziele wären das Baltikum, Moldawien und Polen gewesen, um diese widerspenstigen ehemaligen Provinzen heim ins Reich zu holen. Zumal die baltischen Staaten und Polen auch noch die Unverfrohrenheit besassen, der NATO beizutreten, ohne die selbsternannte Weltmacht Russland um Erlaubnis zu bitten. Ich bin jedenfalls ganz froh, weiterhin in einer von den USA dominierten Welt zu leben – gibt es denn Alternativen?
    Ich habe noch eine Frage: Welches sind die Alternativen zu den Mainstream-Medien? Bitte sagen Sie nicht: „Die Weltwoche“.
    Freundliche Grüsse

    • sunflower22a schreibt:

      Dear Mr Sascha,
      ich bin keine Medienfrau. Ich arbeite in der Finanzindustrie. Glauben Sie mir, dort Sie bekommen einen realistischeren Blick auf die Welt als wenn Sie ARD und ZDF schauen. Für uns, Russland war bis vor kurzem nur eines von vielen emerging markets, wo man eine Menge Geld machen kann, aber eine Menge Geld machst du meist nur mit erhöhtem Risiko. Believe me, diesen Markt werden wir nicht aufgeben. Wir, das ist die Finanzindustrie, und wir SIND der Westen. Putin muss jetzt weg, und er wird gehen (müssen), aber der nächste wird für die Russen nicht besser, aber für uns wird er besser. Und dann, wir machen wieder business as usual. Wie immer.

      Aber natürlich, man soll die Welt nicht nur als Markt sehen, und ich mache das tatsächlich nicht. Und wenn Sie wissen wollen, was sind Alternativen zu Mainstream Media? Schauen Sie, das überlasse ich Ihnen. Für mich, das Kriterium ist, lesen Sie regierungsfreundliche Medien (mainstream), und lesen Sie regierungskritische (auch scharf regierungskritische). Von links und rechts, Und möglichst nicht nur aus einem Land. Dann Sie bekommen eine gute Perspektive. Eine Meinung bilden, das müssen Sie dann immer noch selber. Wenn Sie nur kritische „linke“, kritische „rechte“, oder nur regierungsfreundliche Medien konsumieren, Sie bekommen kein gutes Bild. Does that sound plausible?

      • Utz Sanuk schreibt:

        Liebe Sunflower,
        dieser Schmerz die ganze Welt in Rassismus und Propaganda versinken zu sehen ist auch meiner. Bei meinen Reisen habe ich in Asien so viel Elend und Ungerechtigkeit gesehen dass es für mehr als einen Menschen ausreicht. Immer schon habe ich alle „Presseerzeugnisse“ kritisch gesehen.
        Deutschland hat vor langer Zeit wieder faschistische Tendenzen entwicklelt, aber was in den „Corona-Jahren“ entstand ist perfekte Zensur und Propaganda. Plötzlich wurden und wqerden Freunde zu Instrumenten der Propaganda … das schmerzt so sehr, ist jedoch nicht umkehrbar.

        Zum Glück ist das Internet frei wenn man es zu nutzen versteht.
        Ich wünsche Dir Kraft und Freunde und hoffe wir wenigen kritischen Menschen erleben noch einen Wandel, denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

    • Pjotr Panini schreibt:

      Naja, wenn man schon im ersten Satze eine Fehleinschätzung bringt dann ist von dem Rest auch nicht mehr zu erwarten. Warum aber immer alle NPCs der Meinung sind Sie müssten die Staatsfunk Parolen so blind wiederholen will mir nicht in den Kopf. Das recht doch im Original, oder ist das so ne Art Mantra bei euch mit allem geimpften?

      Old Germany hat fertig,mit der ersten Waffenlieferung ist der Waffenstillstand mit dem UdSSR Nachfolgestaat obsolete. Dazu wird alles getan um das ganze auch noch anzuheizen statt irgendwas sinnvolles. Mit der hiesigen Operettenarmee ist da nix zu wollen. Das wird übel enden, euch Normies geht ja schon der Arsch Grundeis wenn ne KlopapierKnappheit gerüchteweise hochkocht. Was meint ihr wohl wenn der Gashahn zu ist. Frieren? Ihr wisst gar nicht was das ist. Die Kraftwerke sind dann auch aus und eure lieben US Imperialisten werden euch zeigen wo der Hammer hängt. So wie in Syrien oder Libyen,Vietnam oder Iraq oder sonstwo wenn Sie wen nicht mehr brauchen.

      Grüße vom Pureblood

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