I want cash

Indien erlebt zurzeit ein wirtschaftliches Chaos, das man sich im Westen gar nicht vorstellen kann. Natürlich, die die arroganten Westler denken, das ist ein Entwicklungsland, da ist alles Chaos. Wundert euch nicht. Auch hier kann das kommen.

Es geht um das Bargeld. Cash. Es gibt Politiker, die das Bargeld langsam abschaffen wollen. In Skandinavien ist das Mainstream. Ich habe darüber geschrieben. Diese Länder glauben immer, sie seien besonders smart, aber sie sind es nicht. Sie wollen dich kontrollieren, im Namen der Tugend.

Auch in Euroland gibt es diese Tendenzen. Sie schaffen zuerst die großen Scheine ab, dann die kleinen. Nicht nur weil sie dich kontrollieren wollen, jede einzelne finanzielle Transaktion überwachen wollen. Sie wollen auch Negativzinsen möglich machen, und das geht nur, wenn die Leute nicht cash im Schrank lagern können. Wenn alles Geld elektronisch ist, bist du machtlos, wenn sie es morgen mit -5% Zinsen entwerten.

Narendra Modi, Indiens Premierminister, hält sich für einen supersmarten Typ. Damit ist er nicht allein. Am 8.November ließ er über Nacht die 500 und 1000 Rupien Scheine wertlos machen. Sie machen 85% des Bargeldumlaufes aus. Einfach so, ganz große Überraschung. Bis zu 4500 Rupien sollte man theoretisch direkt in Postämtern oder Banken in neue Banknoten umtauschen können, aber so viele Banknoten kann man eben nicht über Nacht drucken. Es gibt bei weitem nicht genug neue Scheine. Alle größeren Beträge kann man nur umtauschen, wenn man ein Bankkonto hat. Die Hälfte Indiens hat aber kein Bankkonto. Sie machen alles cash. Auch Menschen mit Bankkonto nutzen es kaum, weil nur 4% ihre Gehälter auf das Konto bekommen, alle anderen erhalten ihr Gehalt cash.

indian-rupee-exchange

Seit Wochen stehen weite Teile Indiens Schlange, um neue Banknoten zu bekommen. Tagelang. Wochenlang. Sie können nicht einkaufen, nicht zum Arzt gehen, nichts machen. Wut und Aggression machen sich breit, wie die Times of India berichtet. Bauern können ihre Ernte nicht verkaufen, weil niemand mehr Geld hat. Jerri-Lynn Scofield beschreibt bei Naked Capitalism sehr eindrücklich was in Indien los ist. Seit Wochen kehrt eine der größten Ökonomien der Welt zur Tauschwirtschaft zurück. Natürlich trifft es die Armen am härtesten, wie The Wire schreibt:

For the last few days the world is watching the bizarre spectacle of millions of Indians waiting in long, unending queues to recover their own money from banks, post offices and ATMs even as the government at the Centre remains firmly in denial about the untold hardship to the poor who cannot afford to stay away from their daily wage work even for a day. Some senior citizens have died of exhaustion standing in queues for hours on end. Families have suffered as private hospitals refuse to take currency notes of 1000 and 500 denomination, legal tender just till the other day.

Angeblich will Modi damit Schwarzgeld und Geldwäsche bekämpfen. Haha. Wahrscheinlich fahren Indiens Geldwäscher mit großen Containern voller 1000 Rs-Noten nach Panama, um Geld zu waschen. Die großen Fische trifft es nicht, längst ist ein Schwarzmarkt entstanden: verkaufe deine alten Banknoten zu 80-85% des nominalen Wertes an Dealer. Offenbar wissen sie, wie man große Mengen 1:1 tauschen kann.

Die Argumente gegen „Schwarzgeld“ sind lächerlich. Die Regierung spricht inzwischen offen davon, sie will zu einer „cashless economy“ übergehen. Arjun Jayadev schreibt, was das bedeutet:

There is a reason why demonetization has never previously happened in peacetime or in the absence of hyperinflation. Those are events that acknowledge the widespread breakdown of social life and attempt to reset it. Money itself is an essential metaphor, a social contrivance to signify a means of final settlement of debts without which binding commitments or promises would be impossible. The anonymity of money is exactly what allows people who don’t have any strong social ties to cooperate in all sorts of ways. And cash, in particular, allows for cooperation and coordination among the poor, the rural population; people who don’t have access to electronic payments systems or coordination through corporate structures, professional networks and so on. Demonetization undermines those structures and in that, the sense of a collective social understanding.  Doing so, while unlikely to be fatal, will corrode this most basic trust.

India is an experiment that surely is closely watched by central banks in the West. A cashless economy is total control over every purchase, every economic activity. No NSA could achieve that level of total surveillance. I have minimized my use of credit cards, I am returning to as much cash as possible. No matter how inconvenient it is. Cash is freedom.

maryna-linchuk-by-vincent-peters-for-vogue-russia-december-2013-8

Sorry, cash only.

Über sunflower22a

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5 Antworten zu I want cash

  1. Fjord Springer schreibt:

    Ja. Der Trend wird immer deutlicher. In Dänemark wurde vor gar nicht so langer Zeit beschlossen, dass Einzelhändler nicht mehr verpflichtet sind, Bargeld anzunehmen. Aber zugegeben; es ist schön bequem, einfach nur die Karte zu zücken und die Ware oder Dienstleistung zu bekommen. Es ist auch schön einfach, mehr Geld auszugeben als man hat. Die meisten Karten geben ja „Kredit“.

    Am Ende aber geht es um Kontrolle. Du willst dir mal eben beim Dealer deines Vertrauens einen Freitagabend-Feierabend-Joint kaufen? Vergiss es! Du willst mal ganz ungesehen eine erotische Phantasie ausleben? Mach einen Haken dran! Du willst eben mal dem Ömchen aus der Nachbarschaft den Rasen mähen, weil sie sich heute nicht so fühlt? Die 20 Euro, die sie dir dafür gibt, werden registriert – und vielleicht irgendwann auch mal als Schwarzarbeit interpretiert.

    Aber zugegeben; es ist schön bequem, einfach nur die Karte zu zücken und die Ware oder Dienstleistung zu bekommen. Es ist auch schön einfach, mehr Geld auszugeben als man hat. Die meisten Karten geben ja „Kredit“….

  2. _ schreibt:

    Bequem? Ja, wir werden irgendwann verrecken an unserer Bequemlichkeit.
    Ich zahle auch wieder mehr und mehr bar, es ist manchmal unbequem und mühsam, aber nur Bares ist Wahres.

  3. Mordred schreibt:

    geht es eigentlich nur mir so, dass ich alle nase lang in verschiedensten läden nur bar zahlen kann, weil das kartenlesegerät oder die internetverbindung mal wieder ausgefallen ist?
    des weiteren kann man doch in vielen läden erst ab 10€ mit karte zahlen, weil die gebühren so hoch sind.
    solange diese k.o.-kriterien nicht gelöst werden, kann sich doch kein politiker ernsthaft gedanken über bargeldabschaffung machen.
    wobei man an indien wunderbar sehen kann, dass es auf diesem planeten noch verrücktere als unsere politiker gibt.

  4. Pingback: Die EU-Kommission will uns unser Geld wegnehmen | sunflower22a

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