Über die verlogene Doppelmoral der Kreuzzüge gegen die Sexarbeit habe ich hier schon oft geschrieben. In America treibt die Doppelmoral ganz allgemein besonders extreme Blüten. Natürlich, die USA sind ein Land voller religiös-moralischer Extremisten, und häufig sie sind gleichzeitig sehr kommerziell orientiert. Eine fundamentalistische Kirche gründen und damit Geld verdienen ist kein Problem. In Texas (natürlich, wo sonst) kam jetzt eine Story zutage, die vermutlich nur die Spitze eines Eisbergs ist. Truthout berichtet über einen Sheriff, der eng mit einer Anti-Sexarbeits-Aktivistengruppe kooperiert und ihr regelrecht diejenigen „Opfer von Menschenhandel“ zuführt, die diese Gruppe dann anschließend „retten“ kann und daraus ein Geschäftsmodell gemacht hat. Aufgeflogen ist das, weil sich einige der „geretteten Opfer“ juristisch dagegen wehren.
Kathryn Griffin ist eine frühere Drogenabhängige und versucht sich jetzt als zertifizierte Drogensuchtberaterin über Wasser zu halten. Sie wurde immer wieder verhaftet, bis sie wegen ihres Showtalents von Lokalpolitikern und der Stadtverwaltung Houston für Anti-Drogen-Auftritte gebucht wurde. Damit konnte sie Geld verdienen, sie tourte durch die Gefängnisse von Texas und durch allerlei Auftritte. Irgendwann bemerkten Justiz und Griffin, dass sie diese „Drogenberatungs-Shows“ auch auf Sexarbeit ausdehnen könnte. Jetzt „berät“ sie auch verhaftete Sexarbeiterinnen, wie sie „resozialisiert“ werden können, ohne dafür irgendeine Ausbildung zu haben. Deswegen findet bei dieser „Beratung“ nichts statt, was in Richtung alternative oder bessere Verdienstmöglichkeiten geht. Es geht nur um Schuld und Sühne. Schließlich sind sie nicht freiwillig in ihrem „Resozialisierungskurs“, sondern auf richterliche Anordnung. Die „geretteten Opfer“ müssen erstmal erkennen, dass sie „schuldig“ und „kriminell“ sind. Wer das nicht einsieht, hat Griffins Kurs nicht erfolgreich absolviert und muss länger sitzen.
Der Höhepunkt war eine propagandistische Reality-TV-Show, bei der die Frauen bei ihrer „Resozialisierung“ begleitet werden. Bei AETV, der miese Sender der auch die ekelhafte halbfaschistische Duck Dynasty produziert. In der Show „8 Minutes“ tritt Kevin Brown auf, ein ex-cop der jetzt seine eigene Kirche „Side by Side Church“ gegründet hat. Er posiert als Freier und gibt den so „ertappten“ Sexarbeiterinnen 8 Minuten – vor laufender Kamera, mit voller Gesichtspräsentation – um sich von der Sexarbeit loszusagen, sonst würde es ernst. Seine Kirche biete ein Resozialisierungsprogramm an. Meist waren die Szenen zwar gestellt, echt aber waren die „geretteten Opfer“ – aus Griffins „Resozialisierungsprogramm“, zugeführt von der Justiz. So werden sie erst wirklich zum Opfer, nämlich einer kaputten Justiz in Texas und ihrer Helfer wie Griffin und Brown.
Einige der Frauen, die nun wirklich Opfer geworden waren, begannen sich zu wehren,verklagten Griffin und den Sender und progressive Medien nahmen die Show und den Sender unter Feuer. Nach wenigen Sendungen wurde die Show ohne Begründung eingestellt.
Ein Riesenerfolg – und ein eindrucksvoller Beleg für die Doppelmoral der rechtskonservativ-religiösen „Anti-Menschenhandels-Bewegung“ und ihren „feministischen“ Freundinnen. Diese Leute werfen jede Form von gewerblichen erotischen Dienstleistungen mit Menschenhandel und Sklaverei in einen Topf. Sie brauchen für ihre Kampagnen und ihr Fundraising unbedingt reißerische Stories über Zwangsprostitution – und viele davon sind frei erfunden wie die Story von Somaly Mam, die sich als kambodschanische Zwangsprostituierte ausgab. Das war zwar gelogen, reichte aber für erfolgreiches millionenschweres fundraising.
Was in Houston schließlich herauskam, ist unfassbar. Adrian Garcia war Sheriff von Houston und berüchtigt für seine „rescue and recovery missions“, mit denen er die Zahl der verhafteten tatsächlichen oder angeblichen Sexarbeiterinnen auf Rekordhöhe trieb: 160 Verhaftungen im Monat. Garcia heuerte Griffin und Brown an, und viele der verhafteten Sexarbeiterinnen bekamen Haftverschonung wenn sie kostenlos in Garcias Wahlkampfteam mitarbeiten, als er für den Bürgermeisterposten kandidierte. Frauen als Sexarbeiterin verhaften und sie dann als kostenlose Arbeitskräfte nutzen. So etwas nenne ich, well, Menschenhandel und Zwangsarbeit.
If I enter this building, I become a victim and must be rescued and jailed.
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