Eine Freundschaft zerbricht (1)

Die Zeiten ändern sich, und mit ihnen ändern wir uns. Ob besser oder schlechter, ist meist Ansichtssache. Nicht alle Freundschaften überstehen diese Veränderungen

G. war einer der ersten Männer, den ich nach meiner Ankunft in Germany kennengelernt habe. An einem Ort, an dem sich Männer und Frauen zwar begegnen, aber selten wirklich kennenlernen. Eine Begegnung zwischen zwei sehr unterschiedlichen Menschen. G. ist geradezu der Prototyp des deutschen „Gutmenschen“ (a term so German that it is essentially untranslatable).

Nein, sexy ist G. nicht. Absolut nicht. Deutscher Schlabberlook, meist bärtig, auf sein Aussehen legt er keinen Wert. Ein sehr ruhiger Mensch, auf den ersten Blick wirkt er verschlossen. Aber wir haben uns platonisch gut verstanden, ich fand ihn interessant weil er war ein guter Schlüssel zum Verständnis des neuen Landes

G. suchte keine Beziehung, mit Frauen kam er nicht klar. Ich war die einzige Ausnahme, sagte er, die einzige mit der er keinen Stress hatte sondern gute Gespräche. Vor Feministinnen hat er Angst, aber er ist zu politisch korrekt um ihnen zu widersprechen. Er sagte mir mal, mit mir könne er angstfrei sprechen, das könne er eigentlich mit keiner anderen Frau. Eigentlich ein im Herzen guter Mensch, der sich viele Gedanken macht und wenn er auftaut brillant diskutieren kann. Wir können nicht unterschiedlicher sein, unsere sonstigen Freundeskreise auch, aber irgendwie verstanden wir uns gut. Ich fand es immer anregend, er wohl auch. Deswegen trafen wir uns immer wieder, wenn auch zunehmend seltener.

Und jetzt das.

Er war richtig aufgewühlt. Die Flüchtlingskrise, die Nazis in Sachsen. Syrien. Gebannt hörte er mir zu, eine Woche in Jordanien. Er bewundert es, und meine Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Reise teilt er nicht. Man müsse endlich was tun.

Ja, aber es gehe nicht  darum irgendwas zu tun, sondern das richtige zu tun, meine ich.

Aber was ist das richtige?

Fluchtursachen bekämpfen, den Menschen helfen, eine Willkommenskultur. Er wird richtig phrasenhaft.

Was soll das denn heißen? Fluchtursachen bekämpfen?  Mich nerven diese Phrasen.

Demokratie aufbauen, wirtschaftliche Entwicklung, zivile Konfliktlösung. Reines Blabla. Mich nervt so etwas.

Ich sage ihm etwas ungehalten, wenn du in Syrien Fluchtursachen bekämpfen willst, musst du den IS abräumen, vielleicht auch Assad, und das wird nun mal nicht friedlich gehen, so wie ihr euren Hitler auch nicht friedlich abgeräumt habt.

Das war ein Fehler. Euer Hitler. Ich beiße mir auf die Zunge. Euer Hitler. Das hätte ich nicht sagen sollen.

Er wird richtig aggressiv. Willst du Krieg?

Darum geht es nicht. Da ist Krieg, schon lange, und nicht wegen mir.

Ihr habt den ganzen Mist angefangen, ohne den Irak-Krieg wäre das nie passiert.

Ihr. Ja, das kommt davon wenn ich „euer Hitler“ sage. Wie dumm von mir.

Er sieht mich so erregt an wie ich îhn noch nie gesehen habe.

Schau, wahrscheinlich hast du recht. Natürlich. Aber was nützt das jetzt? Ich meine doch nur, jetzt in 2015 ist die Fluchtursache der IS und Assad, und ich will jetzt von dir einfach nur wissen wie du diese Fluchtursache bekämpfen willst.

Willst du Krieg?

Dort ist schon Krieg. Krieg ist dort nicht erst dann, wenn der Westen mitkämpft. Ich weiß nicht wie man die Fluchtursache IS beseitigt, aber friedlich kann ich es mir nicht vorstellen.

Das ist doch Kriegspropaganda. Du propagierst den Krieg. Er ist so erregt wie ich ihn noch nie gesehen habe.

Ich versuche zu widersprechen, aber ich komme nicht mehr zu Wort.

Du elende Ami-Schlampe. Ihr seid alle gleich. Ihr seid die Fluchtursache.

Was hast du gesagt? Ich kann es nicht fassen.

Du elende Ami-Schlampe.

Beinahe hätte ich ihm eine Ohrfeige verpasst. Beinahe. Ich bin völlig entsetzt. Wie kann er so etwas sagen?

Er steht auf und geht, wortlos. Genau das hatte ich auch vor, er war schneller.

Ich habe ihn aus meinen Kontakten gelöscht. Wie kann eine Freundschaft sich so in Nichts auflösen?

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Über sunflower22a

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11 Antworten zu Eine Freundschaft zerbricht (1)

  1. HERDIR schreibt:

    Vielleicht sollte ihr beide euch gewahr werden, dass es um euch geht und ihr nicht nur deutsch und amerikanisch seid …

    Gemeinsam habt ihr doch auf jeden Fall die Ohnmacht und Hilflosigkeit in der (beschriebenen) Situation … Ich finde es schade (und ja mir ist das auch ein paar mal passiert) wenn solche politischen Themen Freundschaften trennen … ich habe es immer bedauert (nein stimmt nicht, bei rassistischen Äußerungen habe ich die Trennung vorgezogen) aber Toleranz und Zuhören ist halt auch Arbeit … Vielleicht sollte man nicht alle Probleme der Welt auf die persönliche Ebene reflektieren … vor allem wenn man „nur“ diskutieren will (mmh … so aufgeschrieben muss ich feststellen, dass ichmal jemand anrufen muss^^) …

  2. Gerhard Mersmann schreibt:

    iim deutschen Pazifismus wohnt ein chauvinistisches Gen 😉

  3. waswegmuss schreibt:

    Sei froh!
    (Übrigens dachte ich auch immer, dass die Bösen Amis, Juden, ISIS etc. Nope. Das sind Umweltkriege und aktuell haben die Verbrecher der ISIS die Hand am Wasserhahn. DIe müssen natürlich weg. Auch die Waffenhändler. Trotzdem werden die Leute kommen. Sie dürfen es. Wir westlich Zivilisierten haben ihr Land kaputtgemacht.)

  4. MT schreibt:

    @waswegmuss: Ich habe kein Land kaputt gemacht, noch nie, und fühle mich von deinem „Wir“ nicht angesprochen (falls das nicht ironisch gemeint war, was Du geschrieben hast).

    Ich mag dieses „Wir“ und „Ihr“ sowieso nicht. Das nervt mich total. Auch diese Phrasen, die sunflower beschrieben hat. Mich nervt das genauso. „Demokratie aufbauen“, „Willkommenskultur“, „Integration“. Das sind alles PR-Wörter, die irgendwann mal auftauchen und die alle ohne Nachzudenken einfach übernehmen. Ich finde das gefährlich, weil diese PR-Sprache die wahren Probleme einfach übertüncht ohne auch nur ansatzweise eine Lösung parat zu haben. Einfach eine „Willkommenskultur“ aufbauen und schon ist alles geritzt. Was ist das? Willkommenskultur? Teddybären am HBf verteilen? Soll das Willkommenskultur sein? Und dann? Die Leute in Zeltstädte verfrachten und sich selber überlassen? Keiner hat nur ansatzweise eine Ahnung, was mit diesen Menschen passieren soll, aber alle wollen die „Willkommenskultur“. Das ist viel zu wenig. Und das macht mir Sorgen.

    • waswegmuss schreibt:

      Natürlich hast du Länder kaputt gemacht. Mit dem Billigflug zum Shopping nach London oder zum Saufen nach Malle oder zum Bumsen nach Barcelona oder zum Bayernspiel nach Madrid. Mit dem alten Spritfresser. Mit dem tollen Handy. Mit dem verordneten Palmöl in deinem Sprit. Andsoon.
      Natürlich musst du dich deswegen nicht schlecht fühlen. Du kannst es nicht. Keiner kann das wenn er ehrlich zu sich ist. Und lasse dir da kein schlechtes Gewissen einreden.
      Du musst auch nicht mit lächerlichem Kram am Bahnsteig die Flüchtlinge begrüßen. Wenn du weg bist ändert sich für diese Leute mal rein gar nichts. Du kannst gar nichts ändern. Die Dinge sind wie sie sind!
      Das zu akzeptieren ist der erste Schritt.
      Frage mich bitte nicht was der zweite ist.
      Ich weiß es nicht.

  5. waldstern schreibt:

    Mach dir nix draus. Die denken so, diese Typen haben so einen unterschwelligen Antiamerikanismus verinnerlicht, den bekommen die nur schwer weg. Der gehört bei denen zum Leben dazu. Weiß auch nicht, wieso das so ist. Ist aber so.

  6. MT schreibt:

    P. S. @sunflower: ich habe meine E-Mail-Adresse korrigiert, die hier falsch angegeben war. Also bitte nicht wundern 🙂 Jetzt habe ich ein rosa Icon, wie es sich gehört 😉

  7. Anonymous schreibt:

    Guten Tag,

    mich beschäftigt das Thema auch sehr stark.
    Aus meiner Sicht haben Sie beide teilweise Recht und Unrecht zugleich.
    Soweit ich das verstehe, liegen die Ursachen für den Bürgerkrieg in Syrien darin, daß
    die Bevölkerung sich in den letzen 50 Jahren vervielfacht hat und im Rahmen der Grenzziehungen
    nach dem 1. Weltkrieg verschiedene Völker und Religionen in einem Land zusammengesperrt
    worden sind. Dadurch gibt es, insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten immer Privilegierte
    und Benachteiligte, die zugleich unterschiedlichen Volksgruppen angehören. Damit sind Konflikte
    schon vorprogrammiert. Insofern kann man da nicht den USA die Alleinschuld geben. Am Erstarken
    des IS sind sie m.E. aber sehr wohl schuld, das ist eine unmittelbare Folge einer verfehlten Irak-Politik. Ein militärisches Eingreifen, das Sie befürworten würde aus meiner Sicht die Lage der Zivil-
    bevölkerung noch weiter verschlimmern, da man in den vom IS besetzen Gebieten Kämpfer und
    Zivilisten nicht unterscheiden kann. Zudem würden bevorzugt schwere und damit unpräzise Waffen
    zum Einsatz kommen, um eigene Verluste so gering wie möglich zu halten. Die Folgen für die Menschen sind bekannt…
    Daher sehe ich keine Lösung. Das einzige, was wir tun können, ist humanitäre Hilfe zu leisten und
    warten, bis sich der Krieg „totläuft“. Von den USA erwarte ich hier viel mehr Engagement als bisher,
    einschließlich der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen, damit die Lasten nicht so einseitig verteilt sind.
    Viele Grüße
    M.

  8. Politik 2.0 schreibt:

    Guten Tag,

    mich beschäftigt dieses Thema auch sehr stark.
    Aus meiner Sicht haben Sie beide Recht und Unrecht zugleich.

    Nach meinem Verständnis liegt die Ursache für den Bürgerkrieg in Syrien darin, daß
    sich die Bevölkerung in den letzten 50 Jahren vervielfacht hat und im Rahmen der Grenzziehung
    nach dem 1. Weltkrieg Angehörige verschiedener Völker und Religionen in einem Land zusammen-
    gesperrt worden sind. Dadurch gibt es immer Privilegierte und Benachteiligte, die zugleich verschieden Volks- bzw. Religionsgruppen angehören. Wenn dann noch wirtschaftliche Probleme
    dazukommen, sind Konflikte vorprogrammiert. Insofern ist es m.E. nicht richtig, den USA die Alleinschuld am Bürgerkrieg zu geben. Für das Erstarken de IS sind sie aber sehr wohl verantwortlich. Die Ursache hierfür liegt eindeutig in der völlig verfehlten Irak-Politik der Bush-Regierung. Ein militärisches Eingreifen gegen den IS würde die Lage der Zivilbevölkerung noch weiter verschlimmern, da man im Gebiet des IS nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden kann. Zudem kämen vor allem schwere und damit unpräzise Waffen zum Einsatz,
    um die eigenen Verluste möglichst gering zu halten. Die Folgen für die Menschen sind bekannt…

    Daher gibt es aus meiner Sicht auch keine Lösung des Problems. Das einzige, was wir tun können
    ist humanitäre Hilfe leisten und hoffen, daß sich der Krieg bald „totläuft“.
    In diesem Punkt erwarte ich von den USA sehr viel mehr Engagement als bisher, einschließlich
    der Aufnahme einer großen Zahl Flüchtlinge.

    Viele Grüße

  9. srtrippe schreibt:

    Als Wanderin zwischen mehreren Kulturen und Kontinenten sollst du Dir ein Urteil erlauben dürfen !
    Wäre ich so persönlich beleidigt worden …
    Dein Blog stellt dem meinungsbildenden Kuschelmedien eine andere , ungeschönte Meinung ,
    dagegen .
    Danke dafür !

  10. bla@bla.de schreibt:

    Zitat Sunflower: „Ich sage ihm etwas ungehalten, wenn du in Syrien Fluchtursachen bekämpfen willst, musst du den IS abräumen, vielleicht auch Assad, …“

    Man weiss ja leider nicht genau was wirklich passiert. Viele haben den Eindruck dass die USA nicht geeignet sind den Konflikt zu lösen weil sie den Konflikt, gewollt oder nicht, immer weiter aufheizen. Warum es nicht mal mit den Russen und Assad versuchen?
    Der ist zwar ein Schlächter aber das sind die USA auch:
    http://www.theguardian.com/us-news/2014/nov/24/-sp-us-drone-strikes-kill-1147

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