Unfairer Steuerwettbewerb und wie er unsere Gesellschaft zerstört

Luxemburg hat den angeblichen „Whistleblower“ gefunden und angeklagt, der für die LuxLeaks verantwortlich sein soll. Sicherlich Staatsfeind Nr.1 in dem kleinen Land. Es ist angeblich ein Mitarbeiter von PriceWaterhouseCoopers. PWC, kein Wunder.

Die vier global führenden Wirtschaftsprüfergesellschaften PWC, Ernst & Young, KPMG und Deloitte beraten in ganz großem Stil Konzerne dabei, wie sie via Luxemburg und anderen Steueroasen ganz legal Riesensummen an Steuern hinterziehen können. Die Leute, die das konkret machen, lernen das ausgerechnet an staatlichen Universitäten.

„Die großen Vier haben systematisch ein Netz gespannt – über die Hochschullandschaft hinweg. Sie stiften und sponsern, sie finanzieren und referieren, sie sitzen vielerorts mit im Boot oder sind zumindest ganz nah dran. PwC fördert laut Eigenauskunft derzeit gut ein Dutzend Doktoranden- und Assistentenstellen, an knapp 100 Hochschulen engagiere man sich finanziell, die wenigsten davon seien privat. EY ist an 50 Hochschulen aktiv, punktuell an 50 weiteren, etwa 15 Mitarbeiter von EY forschen neben dem Job an einer Uni. KPMG schickt jährlich circa 120 Kollegen zu Lehrveranstaltungen und Vorträgen.

   Und: Sie „lassen“ konkret ausbilden. So haben die vier Beratungskonzerne gemeinsam einen berufsbegleitenden Master-Studiengang mit Schwerpunkt in Wirtschaftsprüfung und Steuern initiiert, er wird an vier Standorten angeboten. Eben auch in Mannheim. Dort läuft das Studium an der örtlichen Business School. Sie wurde vor gut zehn Jahren als Einheit aus der Fakultät Betriebswirtschaft herausgelöst, getragen wird sie von einer Stiftung und von der Uni. Doch die meisten Professoren stammen aus der Uni, die Lehre für die Big-Four-Studenten gilt als vergütete Nebentätigkeit. Zudem sind die Steuer-Studenten normal eingeschrieben, haben alle Rechte auf dem Campus. Sie arbeiten parallel meist als Consultant, überwiegend bei den Big Four. Diese zahlen auch die Studiengebühren: um die 30 000 Euro pro Studienplatz.“ So schreibt es die Süddeutsche Zeitung.

Alles das ist eigentlich keine Überraschung, nichts Neues, genauso wie die  großen Banken sind die vier großen Wirtschaftsprüfergesellschaften bei näherem Hinsehen nichts anderes als die angelsächsisch-nordwesteuropäische Variante der organisierten Kriminalität, in Italien Mafia genannt. Der Unterschied ist nur, Angelsachsen und Nordwesteuropäer – Protestanten, sozusagen – mögen es gerne geordnet, legal, nicht so chaotisch wie diese Italiener. Also wird organisierte Kriminalität dort sauber reguliert, und zwar so kompliziert dass kein normaler Mensch merkt was für ein Geschäft da reguliert wird.

Die Luxemburg-Leaks haben in wunderschöner Weise zutage gefördert, was eigentlich schon lange bekannt ist: große Konzerne und Unternehmen entziehen sich systematisch einer fairen Besteuerung, indem sie sich nach Belieben ins Ausland verlagern und am Ende kaum noch Steuern bezahlen. Nach Jahrzehnten aktiver Politik zur Förderung der Globalisierung und des freien Handels können Staaten heute kaum noch etwas dagegen tun. Darüber kann man sich empören, moralisch entsetzt sein, und das ist gut so.

Welche langfristigen Folgen dies ökonomisch hat, zeigt ein schöner Beitrag bei Bloomberg News. Die US-Regierung rechnet damit, dass sie 2015 2.2 Milliarden Steuern nicht einnimmt, weil Unternehmen ihren juristischen Sitz in ausländische Steueroasen verlagert haben – eine Verdopplung des Wertes für 2014. Mir kommt das noch recht wenig vor, aber das ist nicht der Punkt. Die Steuerlast amerikanischer Unternehmen ist insgesamt zurückgegangen, aber die derjenigen, die sich in ausländische Steueroasen zurückgezogen haben, noch viel mehr. Kein Wunder, das ist ja das Ziel der Verlagerung: dieser Steuervorteil beträgt 6.6-17.4 Prozentpunkte. Ein enormer Wettbewerbsvorteil. Den nutzen sie mittlerweile, um andere Unternehmen plattzumachen oder zu übernehmen, die noch nicht ins Ausland abgewandert sind. Bloomberg zitiert die Pharmafirma Actavis, die letztes Jahr den Firmensitz nach Irland verlagert hat. Seitdem hat Actavis vier US-Konkurrenten übernommen, die damit ebenfalls in Irland steuerpflichtig sind und dementsprechend Hunderte Millionen Dollar weniger an das US-Finanzamt zahlen – und in Irland auch fast nichts. Bloomberg listet detailliert auf, wie die Steuerflüchtlinge zunehmend zu einer Bedrohung für die „ehrlichen“ Unternehmen werden. Sie übernehmen, feindlich oder freundlich, Unternehmen die noch im Lande geblieben sind und höhere Steuern zahlen. Durch die Übernahme werden sie zu einer Filiale einer „ausländischen“ Firma, und dadurch sinkt die Steuerlast ebenfalls dramatisch. Firmen-Übernahmen durch „ausländische“ US-Firmen werden teilweise schon durch die damit zusätzlich gesparten Steuern finanziert.

Parasitäre Ökonomie ist noch ein harmloser Begriff für solche Unternehmen. Organisierte Kriminalität trifft es aber auch nicht genau, weil es ja alles „legal“ ist. Schließlich haben diese Firmen ihre Komplizen in Parlamenten und Regierungen, ganz wie Italiens Mafia auch, die dafür sorgen, dass das alles legal ist.

In den 35 Jahren neoliberaler Politik ist so vieles so gründlich an die Wand gefahren worden, dass es wahrscheinlich genauso lange dauern dürfte, das alles wieder rückgängig zu machen.

PL 0046AS (69)

Na meine Süße, sie wollen jetzt was gegen Steueroasen tun. – Haha, zu spät, wir haben unsere Schäfchen längst in Sicherheit gebracht.

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Eine Antwort zu Unfairer Steuerwettbewerb und wie er unsere Gesellschaft zerstört

  1. Bill Miller schreibt:

    Hallo, danke für den Beitrag. Das Hinterhältige an dieser Art „Wettbewerb“ ist, dass diese Kleinstaaten (viel mehr noch Luxembourg oder Monaco“ für ihre Bewohner so wenig staatliche Dienstleistungen (Universitäten, Kontrollbehörden, Militär etc.) bereit halten müssen,dass ein Flächenstaat wie Deutschland gar nicht mithalten KANN*.
    Es besteht also kein echter Wettbewerb. Es sei denn, man würde in Deutschland alle diese Dienstleistungen privatisieren oder zumindest nicht mehr über (progressive) Steuern finanzieren. Selbst dann würden aber durch den Wegfall eben dieser Steuern diejenigen profitieren die überproportional verdienen, solange sie sich nur in Gated Communities zurückziehen können.
    Frohe Weihnachten!

    *Wobei sich Irland durch massive Netto-Transfers von Subventionen sogar noch mit Steuern die in Deutschland eingezogen werden finanziert.

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