Der öffentliche Diskurs in vielen westlichen Ländern ist immer stärker von Prüderie und Sexfeindlichkeit geprägt, allen voran in den USA – dennoch ist die gelebte Praxis der meisten Menschen eine andere. Jedenfalls so weit man das feststellen kann – sobald es um Sex geht, lügen die Menschen wie gedruckt, selbst anonym. Die meisten Menschen geben an, sie leben in einer glücklichen Beziehung oder Ehe – dennoch steigt auch die Zahl der Scheidungen, der „Seitensprünge“, der „Affären“. Hat die Monogamie ihre Grenzen erreicht? Die lebenslange auf jeden Fall, vorehelicher Sex und Scheidungen sind heute völlig normal und gesellschaftlich akzeptiert. Das ist noch nicht lange so. Obwohl „Affären“ meist das Ende einer Beziehung bedeuten, gehen sogar viele Menschen dieses Risiko ein – viele davon sind aber durchaus glücklich in ihrer Beziehung oder Ehe und wollen sie gar nicht beenden. Esther Perel forscht darüber. Die Erkenntnisse der bekannten Paartherapeutin sind durchaus einleuchtend. Wir haben Affären, nicht weil wir unsere Partner verlassen wollen, sondern weil wir aus dem eigenen Zustand ausbrechen wollen, in dem wir gelandet sind. Wir suchen eine andere Identität für uns selbst. Temporär, zeitweise, für ein paar Stunden, für ein Doppelleben. Teile unserer Persönlichkeit werden wiederbelebt, die im Alltag verschüttet wurden. Erstaunlich wenig wird darüber geforscht, was Menschen zu einer Affäre veranlasst. Perel sagt: “It’s not about sex, it’s about desire, about attention, about reconnecting with parts of oneself you lost or you never knew existed. It’s about longing and loss.” Letztlich erwarten wir zuviel von einer modernen Beziehung, sie wird verabsolutiert, sie soll uns alles geben, meint Perel. Aber das kann sie nicht. Deswegen gehen all die Diskussionen über Affären und „Untreue“ am Thema vorbei. All die Versuche, zu analysieren, was ging schief in deiner Beziehung, welche frühkindlichen Traumata hast du, und so weiter – und was, wenn du keinerlei Traumata hast und in deiner Beziehung auch nichts schief ging? Wenn du einfach noch ein bisschen Abenteuer dazu haben möchtest? Natürlich kannst du das nicht zugeben. Also fängst du an zu lügen, und dann geht es meist abwärts. So ist der Westen. Du musst Farbe bekennen. Ja oder Nein. Schwarz oder Weiß. Andere Kulturen lassen dir erstaunlich viele Freiräume, unscharf zu bleiben. Du deutest Dinge nur an, und das wird akzeptiert – als Selbstschutz, weil man sich vor den Konsequenzen einer klaren Antwort fürchtet. Die japanische Sprache etwa kennt kein Wort für „Nein.“ So ein hässliches Wort wird nur umschrieben – für Westler völlig unverständlich. Ich glaube, heute sind es immer mehr Frauen, die „untreu“ werden. Männer waren es schon immer, wenn Frauen es auch tun, wird die Kluft zwischen ideologischem Anspruch und gelebter Realität so groß, dass es keinen Sinn mehr macht, so zu tun als ob. Vorehelicher Sex war früher undenkbar, nicht zu heiraten auch, die Normalität einer Scheidung auch. Alles vorbei. Perel lebt im prüden Amerika, und deshalb deutet sie die Konsequenzen auch nur an, die sie zieht: „I make a distinction between cheating and non-monogamy. Cheating is about a violation of a contract. People misunderstand me because they think I’m saying affairs are OK. No! But I do think examining monogamy is our next frontier…We are a generation that believes in self-fulfillment, but also in commitment, and in their negotiations between these two ideas they will come up with new negotiations around monogamy.” Na klar: lasst uns die Monogamie enttabuisieren. Die Botschaft ist klar, und ich halte sie für richtig. „We are there for each other, to help each of us be who we want to be. And one of the important axes in any relationship is how the couple negotiate togetherness and separateness.” Eine Beziehung ohne den traditionellen Absolutheitsanspruch kann eine viel glücklichere sein. Es verlangt wahrscheinlich mehr Mut als den Mut für eine heimliche Affäre. Ich habe es nie bereut.
-
Aktuelle Beiträge
Archiv
- November 2020
- Oktober 2020
- September 2020
- Juni 2020
- April 2020
- März 2020
- Januar 2020
- Dezember 2019
- November 2019
- Oktober 2019
- September 2019
- August 2019
- Juli 2019
- Juni 2019
- Mai 2019
- April 2019
- März 2019
- Februar 2019
- Januar 2019
- Dezember 2018
- November 2018
- Oktober 2018
- September 2018
- August 2018
- Juli 2018
- Juni 2018
- Mai 2018
- April 2018
- März 2018
- Februar 2018
- Januar 2018
- Dezember 2017
- November 2017
- Oktober 2017
- September 2017
- August 2017
- Juli 2017
- Juni 2017
- Mai 2017
- April 2017
- März 2017
- Februar 2017
- Januar 2017
- Dezember 2016
- November 2016
- Oktober 2016
- September 2016
- August 2016
- Juli 2016
- Juni 2016
- Mai 2016
- April 2016
- März 2016
- Februar 2016
- Januar 2016
- Dezember 2015
- November 2015
- Oktober 2015
- September 2015
- August 2015
- Juli 2015
- Juni 2015
- Mai 2015
- April 2015
- März 2015
- Februar 2015
- Januar 2015
- Dezember 2014
- November 2014
- Oktober 2014
- September 2014
- August 2014
- Juli 2014
- Juni 2014
- Mai 2014
- April 2014
- März 2014
- Februar 2014
- Januar 2014
- Dezember 2013
- November 2013
- Oktober 2013
- September 2013
- August 2013
- Juli 2013
- Juni 2013
- Mai 2013
- April 2013
- März 2013
- Februar 2013
- Januar 2013
- Dezember 2012
Kategorien
Meta
Blogs I Follow
- The Meandering Naturist
- Of Glass & Paper
- Sensuous Sirens
- The Outdoor Co-ed Topless Pulp Fiction Appreciation Society
- sunflower22a
- Fotos
- Feminist Ire
- ItsGemmaEdwards
- Wrong head
- Reports from the Economic Front
- The Honest Courtesan
- naked capitalism
- Pandora Blake
- Alison Bass
- genders, bodies, politics
- Finding the Overlaps
- In Plainspeak
- just-take-a-look Fashion in Berlin
- Christian Buggischs Blog
- form7
- SLUTEVER
- Institute for New Economic Thinking
- Demokratie +
- Mosaik
- Schnippelboy
- imzoom.info
- NÉNÉ Magazine
- Lvstprinzip
- westendstories
- misik.at
- Yanis Varoufakis
- Penny Red
- Malin James
- a paper bird
- Helga Pregesbauer
- plasticdollheads
- Miss Rosen
- Love, InshAllah
- Behind the Red Light District
- rotewelt
- www.journelle.de
- Wissenschaftliche Forschung über Sexarbeit und Prostitution
- Girl Boner®
- SymoneKittyNelson
- Styling On The Edge
- Fashionising.com
- Compromising Positions
- The other Iran
- Sex Work Research
- billierosie
- Follow sunflower22a on WordPress.com
Blog Stats
- 1.139.574 hits
ich war, bin und werde nicht verheiratet sein.
und fremdgehen steht für mich nicht zur debatte……..ich finde es spannender sich mit seinem partner auseinanderzusetzen und gucken wo die defizite sind, anstatt es bei jemanden anderen zu holen.
es gibt einen schönen spruch zur ehe:
warum heiraten- die meisten – männer und frauen?
männer, weil sie denken, sie haben regelmäßig sex
und frauen um abgesichert zu sein
sonnigen tag!
muss ich an Kate Bush’s „Babooshka“ (https://www.youtube.com/watch?v=6xckBwPdo1c) denken…
@Sunflower: Vielen Dank für Deinen Blog!
Er ist mir nach kürzester Zeit ans Herz gewachsen!
Mach weiter so!
Und jetzt ist es Zeit, die Mönckebergstrasse unsicher zu machen, auf der Suche nach den letzten Geschenken!
It’s a good day to die!