Nonkonformisten und Konformisten

„You are manifestly nonconformist“. Das war die Begründung dafür, dass ich meinen ersten „richtigen“ Job bekam.  Damals, in the land of the free, das war auch das Land, in dem Nonkonformisten es leichter hatten als in old Europe. Damals. Those were the days, my friend, we thought they’d never end.

Dabei hatte ich alles versucht, genau diesen Nonkonformismus zu vertuschen, als ich mich bewarb. So ganz ernstgemeint war die Bewerbung ohnehin nicht, ich hatte nicht erwartet eine Chance zu haben. Schon die Tatsache, dass mich eine Chefin einstellte, war aber ein Anzeichen für einen gewissen Nonkonformismus – damals. In Deutschland wäre das kaum möglich gewesen. Auf mein nicht zu versteckendes Erstaunen über ihre Worte lieferte sie gleich die Begründung. „We are in crisis, and we need new ideas.“

Klare Ansage. Und sie hatte recht.

Auch ich klage gerne, dass wir in Zeiten leben, in denen der langweilige Konformismus alle Kreativität zu erdrücken droht, in denen der Neoliberalismus den Leuten völlig den Verstand verstopft hat, in denen ein restaurativer Zeitgeist , ein neues Biedermeier sich breitmacht. Stimmt. Dennoch braucht auch der Neoliberalismus, der Turbo-Kapitalismus Nonkonformisten. Wohldosiert natürlich. Nicht zuviele.

Bill Gates und Steve Jobs sind geniale Nonkonformisten. Ihre Erfindungen und Produkte waren revolutionär, und sie wären unmöglich gewesen, hätten sie nicht völlig neue Wege beschritten. Amazon-Erfinder Jeff Bezos oder Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg gehören in die gleiche Kategorie. Sie haben die Welt revolutioniert. Lady Gaga ist eine nonkonformistische Künstlerin und begeistert Millionen.

Sie alle leben von den vielen Millionen Konformisten, die danach diese Produkte konsumieren. Der nonkonformistische Pionier glänzt um so mehr, je weniger Nonkonformisten es außer ihm oder ihr gibt. Notfalls wird mit Patentschutz und Copyright nachgeholfen, die Früchte ihres Nonkonformismus einzufahren. Und ihre Unternehmen vertragen Nonkonformisten wohl nur ganz oben an der Spitze.

Aber das ist nur die Spitze des nonkonformistischen Eisbergs. Es gibt auch viele, viele andere namenlose Nonkonformisten, von denen die Wirtschaft lebt. Konformisten haben in einer Public Relations-Abteilung, in einer Werbeagentur, in einer Strategieplanungsabteilung eigentlich nichts verloren. Sie bringen nicht die nötige Kreativität und das notwendige „thinking out of the box“ mit.

Nonkonformisten erfinden die ganzen abgedrehten sogenannten Finanzprodukte, mit denen die Finanzbranche so gefährlich werden konnte. Nonkonformisten sind die besten Spekulanten – ein Konformist geht mit der Masse und wird nie erfolgreich spekulieren, höchstens erfolgreich mit der Masse mitlaufen. Nonkonformisten brüten die besten Lobbystrategien aus, mit denen sich Konzerne heute gegenüber Politik und Öffentlichkeit immer wieder durchzusetzen vermögen. Nonkonformisten sind es, die in der digitalen Welt in immer kürzeren Abständen tradierte Geschäftsmodelle aushebeln und neue kreieren. Nonkonformisten liefern die besten Markt- und Risikoanalysen, die besten Konzernstrategien, weil sie Gefahren und Chancen erkennen, die nicht offensichtlich sind.

Es gibt Public Affairs-Agenturen, Unternehmensberatungen und Consultings, die für bestimmte Aufgaben am liebsten Studienabbrecher einstellen. Weil es unter denen zwar einerseits viele Versager und „Non-Performer“ gibt, aber eben auch viele überdurchschnittlich Intelligente und Leute, die mit vorgefertigten Strukturen und vorgefassten Meinungen nichts anfangen können – und deshalb die richtigen innovativen Ideen haben, die man in manchen Situationen unbedingt braucht.

Nur in der Politik, da gibt es immer weniger Nonkonformisten. Da will heute niemand mehr hin. Nonkonformisten gibt es heute viel mehr in der Wirtschaft – und dort arbeiten sie überwiegend, leider, in erster Linie für ihre privaten persönlichen Interessen oder die des Unternehmens. Nicht für die Allgemeinheit – im Gegenteil, je erfolgreicher ein Unternehmen mit nonkonformistischen Strategien seine Gewinne hochschrauben kann, desto aggressiver wird es sie verteidigen. Und wenn es in der Politik und in den Medien immer mehr Konformisten gibt, haben sie leichtes Spiel.

Wie bekommen wir die besten, kreativsten, innovativsten, nonkonformistischsten Köpfe wieder dazu, uns alle gemeinsam voranzubringen statt nur sich selbst und ihr Unternehmen? Das ist für mich einer der größten Herausforderungen unserer Zeit.

 0532AP (281)

In der Badewanne kommen mir die besten Ideen – wir sollten im Büro einen großen Whirlpool einbauen…

Über sunflower22a

I am a mystery.
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4 Antworten zu Nonkonformisten und Konformisten

  1. kalypso schreibt:

    reinhard mey – wie immer – einfach nur gut!

    danke für das liedchen – habe sehr geschmunzelt……………….

    schönen wochenanfang!

  2. whose schreibt:

    Hmm… Bill Gates ein „Nonkonformist“?

    Da hat die Umschreiberei von Geschichte nach Orwell-Methode ja erste Erfolge eingefahren 😉 Man möge sich nochmal schlau machen, wie der Typ finanziell so groß werden konnte. Hint: „Nonkonformität“ war definitiv nicht der Grund. „Schwein bei der Arbeit“ und eine gewisse Nachlässigkeit eines gewissen Mr. Gary Kildall schon eher…

    Steve Jobs war auch alles andere als „Nonkonform“ in seiner erfolgreichen Zeit (sprich: kurz vor Schluss). DAVOR war er es, da war er aber auch alles andere als erfolgreich (Stichwort NeXT).

    Beispiele aus diesem Bereich herauszugreifen war nicht so besonders klug. Gerade im Bereich der Informationstechnologie waren die Nonkonformisten selten „erfolgreich“. Wenn sie es waren, so hielt das nur sehr (!) kurz. IT-Unternehmen und deren Führungspersonal waren und sind üble Spießer (Yahoo, anyone?). Konformisten in Reinkultur sozusagen 😉

    Heutzutage (bzw. die letzten 20 Jahre) sind sie nicht einmal technisch kreativ. Das Phänomen „Eifön-Wischen“ ist aus einer wirklich, wirklich uralten Idee von GUI-Designern (die so rein gar nichts mit Apfelgriebsch oder Mickysaft am Hut hatten!) entstanden. Damals machte man das halt nur nicht direkt mit dem Finger, sondern mit dem „Light Pen“ (wer kennt das noch? Kääär, ist das lange her… ;). Kapazitive „Touchscreens“ gabs auch schon gefühlte Jahrhunderte vor dem Eifön…

    Oder war mit „Nonkonformität“ etwas anderes gemeint? Ist ne ernsthafte Frage. Mir fällt zu den beiden Beispielpersonen nämlich so rein gar nichts ein, wo einer oder gar beide von den Normen der Marktwirtschaft/der Branche faktisch abwichen. Möglicherweise habe ich in all den Jahren aber einfach irgendetwas Wichtiges übersehen…

  3. whose schreibt:

    Ach, hatte ich vergessen:

    Bitte, bitte, bitte verwechselt niemals den Verkäufer mit dem Erfinder. Bill und Steve waren Verkäufer alter Schule. Keiner von beiden war jemals Innovator.

    Es schmerzt mich immer wieder aufs Neue, wenn, per Medien-Hype zu „Innovatoren“ hochstilisierte, Menschen Ruhm für Dinge einheimsen, die sie gar nicht zu verantworten haben.

    Steve und Bill waren/sind Fugger, sie waren/sind aber nicht Archimedes und sein kleiner Bruder.

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