Barbarei

All that is necessary for the triumph of evil is that good men do nothing. Sehr zutreffend. Allerdings: Edmund Burkes Zitat gilt heute auch für Frauen.

Die Barbarei des Charlie Hebdo-Mordes schockiert mich, aber um ehrlich zu sein, sie überrascht mich nicht. Es wird nicht die letzte derartige Barbarei sein, weitere werden folgen. Hoffentlich killen sie die Typen bei der Festnahme, aber diese Typen wachsen nach, wie Pestviren.

Auch wenn es die erste derartige Barbarei in Frankreich war – sollen wir jetzt deswegen schockiert sein, dass sie in FRANKREICH stattfand? Dass salafistische Killertypen aus Frankreich und Europa inzwischen gar nicht mehr erst nach Syrien oder den Irak reisen, um solche brutalen Massaker zu begehen, sondern diese Taten jetzt sogar schon hier mitten in Europa begehen? Tausende von ihnen machen das schon seit Jahren, massakrieren „Ungläubige“, versklaven Frauen, errichten ein Terrorregime. Aber eben nicht in Europa.

Und jetzt schlagen sie in Europa zu. Diese Tatsache ist es, die die Menschen in Frankreich, Deutschland, Europa schockiert. Solange europäische junge Männer, Salafisten aus dem Abendland und zwar keineswegs nur solche mit Migrationshintergrund, ihre Massaker fern im Orient begingen und nur Araber oder Kurden, Yesiden oder Schiiten massakrierten – weit weg. Who cares. Except if they behead other Europeans. Solange sie nur Yesidinnen umbringen, na so ist das halt im Orient.

Es ist diese Mentalität, die mich am meisten erbittert. Eurozentrismus in Reinkultur. Man kann es auch Egoismus nennen. St.Florian, verschone mein Haus, zünde andere an.

Vielleicht ist es normal. Araber interessieren sich auch weniger dafür, was arabische Verbrecher in Europa anrichten, sondern mehr dafür was sie im eigenen Land anrichten. Logisch. Warum sollen Europäer das anders handhaben?

Aber Araber fühlen sich nicht dem Rest der Welt moralisch überlegen. Europäer schon. Sie halten ihre Region für die beste aller Welten. Demokratie, Liberalität, Pressefreiheit, alles das ist hier zuhause. Ihr habt das erfunden. Vielen Dank, sagt die Welt. Wir gratulieren. Ja, die Realität gibt den Europäern tagtäglich recht: die Flüchtlingsboote wollen genau hierher. Nicht in die Türkei, nicht nach Russland, nicht nach China. Auch mir fällt zurzeit kein Ort ein, an dem ich lieber wäre als Europa.

Und dennoch: mir wird regelrecht übel, wenn ich die ritualisierten Reaktionen der europäischen, der deutschen Politik – aber auch der Gesellschaft ansehe. Von links bis Pegida.

Unser Mitgefühl gilt den Bürgerinnen und Bürgern Frankreichs, besonders den Angehörigen der Opfer dieses barbarischen Anschlags“, schrieb Bundeskanzlerin Angela Merkel in das Kondolenzbuch der französischen Botschaft. Deutschland und Frankreich würden gemeinsam die Werte der Freiheit und der Demokratie verteidigen, so Merkel weiter. „Pressefreiheit ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften. Wir werden alles tun, sie zu schützen“, fügte sie hinzu.

Na klar. Ich auch.

Da kursieren die facebook-pics „je suis Charlie“. Schön. Ich bin auch Charlie. Natürlich. Moi aussi. Da werden die europäischen Werte beschworen. Die offene Gesellschaft. Die Toleranz.

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Am rechten Rand wissen sie es, sie haben es ja schon immer gesagt, die Islamisierung des Abendlandes und vor allem Dresdens droht. Hohlköpfe.

Und der Mainstream-Islam tut wieder so, als gehe ihn das alles nichts an. Wie immer. Ein bisschen Betroffenheit, aber am Islam liegt das nicht. Natürlich nicht. Einzeltäter.

Alle haben sie jetzt wieder recht. Alle. Niemand fragt, was haben wir falsch gemacht.

Dabei ist so vieles schief gelaufen. Ich warte darauf, dass jemand die Frage stellt, was haben all diejenigen die jetzt recht haben, eigentlich falsch gemacht. Was machen sie weiterhin falsch, wenn sie einfach nur weiterhin recht haben und so weiter machen. Das gilt nicht nur für die Politiker, die WDR-Kommentatoren, die Kirchenfunktionäre. Auch die opinion leaders der Blogosphäre lassen mich nur ratlos zurück.

Kiezneurotiker, du hast einen guten Text geschrieben. Wirklich, Kompliment, gut argumentiert. Schönes Zitat des damaligen norwegischen Premiers, nach dem Breyvik-Massaker:

Was sie aus Paris folgern werden wird so vorhersehbar wie dumpf sein: Mehr Polizei. Mehr Überwachung. Mehr Kontrolle. Das tun sie immer. Und mir fällt an diesem Punkt nichts anderes mehr ein als das Zitat des norwegischen Regierungschefs Stoltenberg nach dem Breivik-Attentat, dankenswerterweise in Erinnerung gerufen von Rechtsanwalt Kompa: „Noch sind wir geschockt, aber wir werden unsere Werte nicht aufgeben. Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit.“ Und dann bringe ich noch gerne die Binse, dass eine Gesellschaft, die ihre Freiheit zugunsten der Sicherheit aufgibt, keine lebenswerte mehr ist.

Oder der Kultgenosse, den ich wirklich sehr schätze:

Es wird Zeit, sich Gedanken um die Verfasstheit einer offenen Gesellschaft zu machen. Eine offene Gesellschaft muss bei Bedrohung die Offenheit als Maßstab wählen. Dazu gehört der Respekt vor dem Anderen, aber auch ein klarer Maßstab für eine offene Gesellschaft, den man verteidigt – ohne Waffen.

Ohne Waffen. So etwas lässt mich mit einem fahlen Geschmack zurück.

Waren Linke eigentlich immer Pazifisten? Wann fing dieser Pazifismuswahn eigentlich an? Spaniens Republikaner wären nie auf die Idee gekommen, die Republik gegen Franco ohne Waffen zu verteidigen. So naiv waren sie nicht, auch wenn sie leider dennoch verloren haben.

Ein klarer Maßstab für die offene Gesellschaft, die man verteidigt – aber, lieber Kultgenosse,  was heißt das denn ganz konkret gegen Salafisten, die die gnadenlose Vernichtung dieser offenen Gesellschaft als Programm haben? Je suis Charlie auf facebook posten wird da nicht viel helfen.

Im Gegenteil. Je mehr die Gesellschaft ihre Solidarität mit Charlie bekundet, desto mehr hassen die Salafisten uns alle genau dafür, genau für diese offene Gesellschaft und wollen uns genau deswegen zerstören. Dich und mich.

Je suis Charlie.

Pfeifen im Walde, könnte man freundlich sagen. Kopf in den Sand stecken, wäre schon weniger freundlich.

All that is necessary for the triumph of evil is that good men do nothing.

So war es wohl in Deutschland 1933. Good men did nothing. 1930 hätte man die Nazipartei noch verbieten und Hitler einsperren können. Aber das wäre ja undemokratisch gewesen.

Auf deine facebookseite ein „je suis Charlie“ zu posten ist, ehrlich gesagt, essentially nothing.

All that is necessary for the triumph of evil is that good men do nothing except a few facebook postings.

Offene Gesellschaft. Dazu mir fällt die NSU ein. 10 Menschen mit Migrationshintergrund kaltblütig ermordet, und nur weil sie sich selbst erschossen haben, morden die Täter nicht immer noch. Eine daddelige Polizei ist zu blöd die Täter zu finden – und selbst wenn, nach spätestens 5 Jahren wären sie wieder frei herumgelaufen. Deutsche Richter machen es möglich. Schwere Kindheit, das müssen wir verstehen.

Was sie aus Paris folgern werden wird so vorhersehbar wie dumpf sein: Mehr Polizei.

Wenn die Polizei so blöd ist wie bei NSU, ist das ganz egal, lieber Kiezneurotiker. Aber die Schuldenbremse ist so krass das sie selbst bei den Bullen sparen. Es wird nicht mehr Polizei geben. Das ist zu teuer.

Ja, die offene Gesellschaft lässt Killernazis gewähren. Das gehört zur Freiheit. Zumindest zur offenen Gesellschaft à l’Europe, à l’allemande.

Ist NSU auch ein Preis der Freiheit?

Ist es auch eine offene Gesellschaft, wenn man gegen solche Killer nichts tut?

Sind das unsere Werte, dass wir gegen gewalttätige und mordende Ideologen solange nicht wirksam vorgehen, solange sie Spitzenpolitiker in Ruhe lassen?

Ist es ein Kennzeichen einer offenen, freien, lebenswerten Gesellschaft, dass salafistische Fanatiker ungestört orientierungssuchende junge Männer mit einer Mordideologie infizieren dürfen, statt dass man solche Hassprediger unverzüglich hinter Gitter bringt?

Ist es ein Kennzeichen einer offenen, freien, lebenswerten Gesellschaft, dass Tugce Albayrak von einem polizeibekannten Intensivtäter umgebracht wird, vor dem jedes Mitglied einer offenen, freien, lebenswerten Gesellschaft nur Angst haben kann, aber der Staat sich hartnäckig weigert, solche Typen aus dem Verkehr zu ziehen?

Nein, ich glaube das nicht. Das ist keine offene Gesellschaft. Das ist vielmehr eine zynische Gesellschaft, in der Barbarei sich immer weiter ausbreiten wird, weil sie nicht unterbunden wird. Weil man sie nicht unterbinden will, weil man lieber recht haben will als in Erwägung zu ziehen, dass manche Wunschvorstellungen in der Realität nicht (mehr) funktionieren.

Offene Gesellschaft heißt friedliche Koexistenz, Multikulturalismus, Vielfalt. Und einen Staat, der das auch durchsetzt und die Gegner der offenen Gesellschaft aus dem Verkehr zieht, wenn sie gewalttätig werden. Alles andere ist eine Illusion, ist das Recht des Stärkeren.

Wer die offene Gesellschaft mit Waffengewalt bekämpft, ihre Exponenten umbringt, für den darf es keine Toleranz geben. Null komma null. Macht kaputt was euch kaputt machen will. Das war angeblich mal ein progressiver Slogan in Germany, 20th century. Once upon a long ago. Heute ticken sie hier alle so wie der bekloppte Jesus, der verprügelt wurde und sagte, wenn euch das passiert, haltet den Schlägern auch noch die andere Körperhälfte hin. Alter Trottel.

Macht kaputt was euch kaputt macht. Viel besser.

Nein, Freiheit und Sicherheit sind keine natürlichen Gegensätze. Man kann sie dazu machen. Freiheit erfordert ein Mindestmaß an Sicherheit. Nicht nur für Spitzenpolitiker. Auch für dich und mich. Die gewalttätige Salafisten- und Naziszene gehört hinter Schloss und Riegel, ohne Ausnahme. More people will die for Europe’s refusal to do it. And, let’s be blunt, it’s better these killers kill here, in their home countries, rather than killing innocent people in faraway Syria and Iraq. It’s the only way to make Europeans wake up and lock them up.

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5 Antworten zu Barbarei

  1. Matthias Eberling schreibt:

    „Wer die offene Gesellschaft mit Waffengewalt bekämpft, ihre Exponenten umbringt, für den darf es keine Toleranz geben. Null komma null.“
    Damit wären wir bei der Zero-Tolerance-Politik der Amerikaner. Sie haben ihr Land in einen Polizeistaat verwandelt, der aber trotzdem zu ängstlich ist, Mohammed-Karikaturen zu zeigen (in den US-Medien erscheinen sie verpixelt). Wenn das dein politisches Reiseziel ist, habe ich Mitleid mit dir – denn dann haben die Terroristen gewonnen. Gegen dich, die Amis, die Israelis etc.
    „Hoffentlich killen sie die Typen bei der Festnahme“ – genau dahin wollen sie dich kriegen. Und wieder gibt es zwei Märtyrer mehr. Bonnie und Clyde in der salafistischen Variante. Diese verblendeten Fanatiker werden sich vermutlich selbst das Licht ausknipsen, wie die Jungs vom NSU.
    Was ist zu tun? Keep a stiff upper lip, Sweetheart! (Siehst du: Englisch kann ick ooch). Wir sind die Mehrheit, wir bestimmen den Kurs dieser Gesellschaft. Die nächste Ausgabe von „Charlie Hebdo“ erscheint in einer Auflage von einer Million Exemplaren. Das wird vermutlich nicht reichen. Überall (außer bei den Amis) erscheinen Mohammed-Karikaturen. Und selbst der kleinste Briefträger und die schüchternste Fleischereifachverkäuferin zeigen Flagge und solidarisieren sich via Facebook. Du darfst dich gerne darüber lustig machen, aber genau das ist der richtige Weg. Je suis Charlie. Je suis Kiezschreiber und ich pfeife auf die Götter dieser Welt und ihre Propheten. Wenn es einen Gott gibt, braucht er keinen impotenten Schulabbrecher mit Kalaschnikow.
    Ein alter Judo-Trick: Lass die Aggression des Gegners an dir vorbeilaufen, tritt einen Schritt zur Seite. Die Redaktion von Charlie Hebdo wird mit neuen Karikaturisten besetzt werden. Erst wenn niemand mehr den Mut hat, die leeren Plätze in der Redaktion zu besetzen, wenn niemand mehr zur spitzen Feder greift, wenn alle von Hass zerfressen sind und Krieg wollen – dann haben wir verloren. Bis dahin ist es noch ein sehr weiter weg. Charlie Hebdo war noch nie so lebendig wie in diesen Tagen ;o)))

  2. Gerhard Mersmann schreibt:

    Klasse, überzeugend, couragiert, intelligent und konsequent!

  3. Peter Hahnl schreibt:

    Teilweise gebe ich dir recht:
    „Weil man sie nicht unterbinden will, weil man lieber recht haben will als in Erwägung zu ziehen, dass manche Wunschvorstellungen in der Realität nicht (mehr) funktionieren.“

    „Offene Gesellschaft heißt friedliche Koexistenz, Multikulturalismus, Vielfalt. Und einen Staat, der das auch durchsetzt und die Gegner der offenen Gesellschaft aus dem Verkehr zieht, wenn sie gewalttätig werden.“

    Es ist wichtig den Behörden bekannte Terroristen, Gewalttäter und jene die es werden wollen – egal welcher Religion, Motivation etc. – langfristig aus dem Verkehr zu ziehen. Dass die Täter bei ihrer Ergreifung erschossen oder sonst wie getötet werden hingegen, ist ein nachvollziehbarer Wunsch – jedoch m.E. nicht zielführend. Da stimme ich Matthias, Kizschreiber, zu. Denn das sind nur neue Märtyrer – „Idole“ die für ihren Glauben gestorben wären. Doch das sind oder sollten nicht unsere Werte sein. Aus der Zeit von Auge um Auge , Zahn um Zahn sollten wir rausgewachsen sein. Rache ist ein legitimes Gefühl – doch ist es nicht rechtsstaatlich, widerspricht unseren, allgemeinen, Werten. Denn was gibt uns das Recht sie zu töten? Wir wären nicht besser als sie und unterstützen nur die „Hochachtung“ weiterer Extremisten vor diesen Mistkerlen.

    „Und einen Staat, der das auch durchsetzt und die Gegner der offenen Gesellschaft aus dem Verkehr zieht, wenn sie gewalttätig werden.“

    Ja, aus dem Verkehr ziehen. Lebenslänglich. Aber das ist ein Thema, das bei uns nur sehr halbherzig gelebt wird. Denn was bedeutet schon lebenslänglich bei uns, ohne Sicherungsverwahrung? Und wie oft gibt es die schon? Ein paar Jährchen hinter Gitter, bei guter Führung noch ein paar weniger.

    Die geforderte Wiedereinführung der Todesstrafe von Marie Le Pen ist bullshit – denn das hätte nichts geändert. Glaubt sie wirklich, dass sich Terroristen die u.a. auch zu Selbstmordanschlägen fähig sind, sich davon abhalten lassen? Auch in den USA gibt es weiterhin Morde – trotz gelebter Todesstrafe.

    Diese Menschen (Terroristen) gehören, wie viele andere Kriminelle (Kinderschänder, Mörder uvm) tatsächlich lebenslang hinter Gitter. Keine Chance jemals begnadigt zu werden. Wahrscheinlich kommt gleich jemand und meint „Wer bezahlt das? Die unschuldigen Steuerzahler“. Aber wie ich mir das für diese Menschen vorstelle neben Wasser und Brot würde hier das Thema sprengen 😉

    Zurück zum Thema also:
    Es ist ein wichtiger Schritt sich mit Charlie Hebdo zu solidarisieren – zu zeigen, dass die Menschen sich nicht einschüchtern lassen. Zum anderen ist es aber auch wichtig zu zeigen, dass diese Einzeltäter nicht noch mehr Zwietracht zwischen Muslimen und anders gläubigen in Europa sähen können. (Ja sie können weil es genug Idioten gibt die jetzt blind PEGIDA und sonstigen Idioten folgen).

    Wer Terroranschläge hier plant, wer Menschen hier misshandelt – egal warum – gehört vom Staat verurteilt und entweder eingesperrt oder ausgewiesen (nur blöd, dass man Deutsche z.B. in Deutschland nicht ausweisen kann – ausser wir gründen ein neues Australien 😉 ).

    Kurzum:
    Es wäre an der Zeit bei uns Entscheidungen zu treffen, welche die Sicherheit in Europa erhöhen (z.B. „Die gewalttätige Salafisten- und Naziszene gehört hinter Schloss und Riegel, ohne Ausnahme“ – gilt aber auch für Linksextreme und Kollegen) und den Dialog mit den friedlichen Menschen zu suchen, um Missstände aufzudecken und konsequent anzugehen.

    Aber das alles ohne Hysterie und den Schrei nach Vorratsdatenspeicherung, Bodyscanner am Flughafen, mehr Videoüberwachung und was vielen „klugen“ Köpfen noch alles einfällt – sondern einfach die Mittel die wir jetzt haben konsequenter durchsetzen (à la lebenslänglich heißt halt lebenslänglich)

    Dieser Vorfall muss von „vernünftigen“ Opinion-Leaders, dazu gehören besonders Politiker (ja vernünftig findet man da nur sehr selten), offen diskutiert werden um einer breiten Instrumentalisierung entgegen zu wirken. Das gilt national (PEGIDA, etc) wie international (eine Frau Le Pen, oder ein Netanjahu).

    So, dass musste ich jetzt mal schreiben 😛
    VG
    Peter

  4. Tim schreibt:

    Natürlich kann man Verbrecher hart bestrafen – wie gut dieser Ansatz funktioniert, sehen wir an den USA, dem größten Gefängnis der Welt, das aber dennoch ein Vielfaches an Gewaltkriminalität im Vergleich zu jedem west- oder nordeuropäischen Land aufweist. Damit alleine ist es also nicht getan.

    Die viel interessantere und schwierigere Frage ist die nach der Ursache dieser extremen Gewalt, dieses mörderischen Hasses auf unsere Gesellschaft und unsere Werte (egal ob es sich um Neonazis wie Breivik oder um islamistische Terrortouristen handelt). Kein Mensch wird als Massenmörder geboren, wenn jemand derart fanatisiert ist, dass er in der bloßen Möglichkeit eines jenseitigen Heilsversprechens von 70 Jungfrauen eine reizvollere Alternative sieht als in der Gewissheit von 50 weiteren Jahren in diesem einen Leben, dann ging diesem Fanatismus eine längere Entwicklung voraus.

    Für mich sind diese Extremisten ein nahezu zwangsläufiges Abfallprodukt des beständig zunehmenden Modernisierungsdrucks auf alle gesellschaftlichen Bereiche. Unsere Lebensrealität ändert sich durch den rasanten technischen Fortschritt immer rapider, Veränderungen die sich früher über Generationen hinzogen werden den Menschen Heute binnen weniger Jahre abverlangt – und immer mehr Menschen bleiben auf der Strecke, weil sie dieses enorme Tempo und diesen Anpassungsdruck nicht mehr mitmachen können oder wollen. Viele von ihnen werden zudem permanent aus dem kapitalistischen Verwertungsprozess ausgegliedert. Die dauerhafte und zunehmende Arbeitslosigkeit gerade der Jugend verursacht Frustration, Hoffnungslosigkeit und Minderwertigkeitsgefühle die Viele nach innen richten und eine kleine Minderheit mit blutiger Gewalt nach Außen.

    Eine frühmittelalteriche Weltanschauung wie der Islam (bzw. Facetten des Islams wie der Salafismus, der sich auf ein ursprüngliches Ideal der Religion in ihrer Frühzeit beruft) mit seinen einfachen Regeln und der simplen und klaren Lebensführung bietet diesen Menschen Orientierung und Halt. Ebenso verhält es sich mit dem Faschismus der Neonazis und dem biederen, 50er Jahre Heile Welt-Erzkonservativismus der Pegida- und AfD-Anhänger. Diese Ideologien sind für solche überforderten Menschen wie eine ruhige Insel im Sturm. Das entschuldigt nicht ihre Gewalttaten, denn jeder Mensch ist für seine Handlungen selbst voll verantwortlich – aber es liefert eine Erklärung dafür, wieso sie so ticken und warum sie so empfänglich für solche Ideologien sind.

    Die zweite, viel interessantere und schwierigere Frage jenseits des bloßen Bestrafens nach bereits begangenen Verbrechen, ist die nach Lösungen. Wie muss eine Gesellschaft der Zukunft aussehen, in der diese Art Extremisten gar nicht erst herangezüchtet wird?

    Vielleicht bin ich hier ein typisch Linker, aber für mich geht jede Diskussion die sich nicht mit dem Wesen unseres kapitalistischen Wirtschaftssystems befasst an der wesentlichen Ursache aller Probleme der heutigen Zeit vorbei – egal ob es um Terrorismus geht, Flüchtlingsströme, Bürgerkriege, Hungerkatastrophen oder Umweltzerstörung. All diese Probleme sind bloße zwangsläufige Konsequenzen einer Wirtschaft die seit der Bronzezeit so aufgebaut ist, dass sie wenige Menschen zu Gewinnern und Viele zu Verlierern macht. Ein System das die grenzenlose Gier nach Macht, Geld und Status als Heilsversprechen in die Hirne der Menschen hämmert bringt sie alle hervor: Die Terroristen welche unschuldige Leute abmurksen ebenso wie die gutbezahlten, gutgekleideten, geschliffen daherschwafelnden Schreibtischtäter, die mit einem Pinselstrich und einem Buttondruck tausende Leute ihrer Existenz oder ihres Lebens berauben und Abends ruhig schlafen gehen.

    Wir könnten sie alle in den Knast werfen und hätten doch nichts gewonnen, so lange wir das System nicht ändern, das diese Arschlöcher erst möglich macht und in jeder Generation immer von Neuem nachwachsen lässt.

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